Wir waren einfach zu laut.
Weltraumprogramme, Informationssonden mit Teilen der menschlichen Geschichte, Satelliten und Funksignale die in die Dunkelheit geschossen wurden. Wie Kinder die, umringt von endlosen Schatten,
nach Aufmerksamkeit rufen. Das alles in der Hoffnung anderen Lebewesen einen Freundschaftsbeweis erbringen zu können: „Hier sind wir, die Nachbarn vom Planeten Terra. Seit nett zu uns!“ Hat bei
der ganzen Sache niemand daran gedacht, dass uns die Antwort, die wir auf all die Signale bekommen, nicht gefällt? Irgendwie ist es anmaßend zu glauben, dass eine andere Spezies weniger
kriegerisch veranlagt ist als die Menschheit selber.
Wir waren nicht nur zu laut sondern auch zu ausdauernd. Statt einfach aufzugeben, als Jahrzehnte lang keine Antwort kam, wurde einfach stoisch weiter gefunkt und gesendet. Bis zum ersten Kontakt.
Klar, eine Weile ging alles gut, viel zu gut wenn man ehrlich ist. Technologische Quantensprünge, die sogar die Erde vor der totalen Ausbeutung ihrer Rohstoffvorkommen bewahrten gingen einher mit
All-Inclusive-Urlauben auf anderen Welten. Marketing for the Win! So kann man eben Forschung auch passend an die Massen verkaufen. Ich selber war auf einem der ersten interplanetaren
Forschungsschiffe als Sicherheitsoffizierin angestellt. Eines der jüngsten Crewmitglieder. Ich wünschte mir nur wie hätten die Erde zu einem späteren Zeitpunkt wieder angeflogen. Schöne neue
Welt, doch für unseren ersten Weltraumkrieg waren wir trotz allen Fortschritten und Weiterentwicklungen nicht wirklich gewappnet. Wehrhaft wie ein Kleinkind dem man einen Luftballon klaut. Nur
irgendwie tödlicher.
Ein Drittel der Menschheit wurde in der ersten Angriffswelle, die unsere Verteidigung zerschlug, erbarmungslos vernichtet. Erst in aller Stille, ich habe Frauen, Kinder und Soldaten gleichermaßen
in stummen Schreien verdampfen sehen. Dann in ohrenbetäubendem Lärm, als habe die Welt im ersten Schock nur den Atem angehalten. Ganze Viertel stürzten wie in einer Zeitrafferaufnahme ein und
begruben alles erbarmungslos im tonnenschweren Schutt. Ein weiteres Drittel wurde, reifen Früchten gleich, geerntet, versklavt und mit den wertvollsten Rohstoffen die Terra zu bieten hatte in die
entlegensten Ecken des Universums verschifft. Der Rest blieb entweder in den Trümmern der ehemaligen menschlichen Hochkultur zurück oder hatte das Glück noch flüchten zu können.
Ich gehörte zum zweiten Drittel.
Der erste Eindruck, als ich die Augen aufschlug war Dunkelheit. Nichts als glänzende, lichtschluckende Schwärze, die mich in Clustern tonnenschweren Gesteins umgab. Jeder einzelne Atemzug
brannte in meiner Lunge, als würde jemand auf meinem Brustkorb sitzen und mir die Luft abschnüren. Mit dem Gewicht eines Stahlträgers presste mich diese nicht fassbare Kraft auf den eiskalten
Boden. Der Klang von zuschnappenden Handfesseln fraß sich mit einem seltsam endgültigen Geräusch bis zu meinem Verstand vor, welcher prompt kapitulierte. Grade zu sanft nahm mich meine eigene
Dunkelheit in Empfang und ich verlor erneut das Bewusstsein.
Es ist nicht einmal die höhere Schwerkraft gewesen, die das Leben in der neuen „Heimat“ so schwer machte. Nicht der Hunger, der durch die kargen Mahlzeiten, oder wie man diesen undefinierten Brei
nennen sollte, zu einem stetigen Begleiter wurde und auch nicht die schier unmögliche, kräftezehrende Arbeit in der Xoton-Kristallmine. Nichts von alledem.
Es ist der Sand, der dich zur Verzweiflung treibt. Millionen kleinster Sandkörner, die sich Körnchen für Körnchen bis in die letzten Ecken der Mine vorarbeiten. Dorthin wo man sie am
allerwenigsten erwartet. Immerhin, die Wüste, aus der dieser rieselnde Fluch sich verbreitet, beginnt erst mehrere Kilometer über unseren Köpfen. Der Sand schleicht sich unter die Kleidung und
reibt deinen Körper wund, verwandelt die Handfesseln zu Schmirgelblöcken die langsam aber stetig, mit einer Geduld die nur leblosen Objekten zu eigen ist, Hautschicht für Hautschicht
abtragen.
Nach 5 Jahren, 12 Tagen und 9 Stunden Gefangenschaft, fernab der Sonne in diesem Loch das dich unaufhaltsam mit der Kälte der Vorhölle verbrennt, sind mir einige Dinge klar geworden: Ich will
leben, nicht nur Tag für Tag überleben zwischen dem Abschaum den die Wärter aus allen Ecken des Alls hier zusammen tragen.
Ich muss hier raus.